Gestern nacht feierte im ZDF eine neue Talkshow Premiere: Roche+Scobel (oder war es Roche & Scobel, oder gar Roche und Scobel?). Dass nun das von Carmen Nebel, JBK, den gar Lustigen Musikanten und Unser Charlie geprägte Programm des Zweiten Deutschen Geriatrischen Fernsehens um ein neues Format wie eine auf jungen Menschen zwischen 14 und 30 (+/-5 Jahre) zugeschnittene Talkrunde ergänzt wird, ist ja prinzipiell ein begrüßenswerter Schritt. Immerhin zahlt auch dessen weniger als 60 Jahre alte Klientel (meist) brav die GEZ-Gebühren. Übersehen wir daher nun mal in ach-so-dankbarer Laune, dass man Roche+Scobel ins tiefste Nachtprogramm beförderte und stellen uns die Frage, inwieweit man das Debüt der Sendung als gelungen bezeichnen kann.
Zunächst das Positive: Die Kombi Roche/Scobel klingt zunächst auf dem Papier sehr gut. Das dynamische Duo aus der ehemaligen VIVA2-Moderatorin und Kulturzeit-Koryphäe Scobel spricht gleichermaßen Teens und hippe Berufsjugendliche wie auch intellektuell verbrämte Twens an. Umgeben von einem seltsam steif wirkenden Publikum diskutierte man das Thema "Wie viel Rausch darf sein?". Prominente und weniger prominente Kiffer und Ex-Kiffer wie Ferris MC, Mitglieder der Band Virgina Jetzt! und ein paar Jungs und Mädels von der Kifferwiese kamen ebenso zu Wort wie selbsternannte Aufklärer und Experten aus akademischen Kreisen. Klingt soweit gut, oder? Alle Voraussetzungen für eine unterhaltsame und informative Sendung waren gegeben. Leider wußte man diese nicht kaum zu nutzen.
Zunächst einmal fiel auf, dass das Morderatoren-Duo seltsam unentspannt wirkte (ähnlich wie das Publikum, das sich vielleicht bereits als mögliches Ziel einer Live-Drogenrazzia während der laufenden Sendung wähnte). Die einstudierte Anmoderation wirkte holprig, ein Teleprompter wurde von Roche und Scobel offensichtlich vermisst. Verbale Schlagabtäusche der beiden waren offensichtlich im Vorfeld der Sendung geplant geplant worden, konnten aber selten umgesetzt werden. Viel häufiger konnte man aus der Mimik der Gastgeber die Frage "Bin ich jetzt eigentlich dran... oder wie?" herauslesen. Anflüge von Spontaneität waren eher rar, und falls sie sich doch mal in die Sendung schlichen, so sorgten sie eher für peinliche Momente. Charlotte Roches Frage an einen jungen Mann im Studio, ob denn sexuelle Enthaltsamkeit zu seinem Lebenskonzept gehöre (nachdem sie ihn zuvor als Shaolin-Mönch in spe identifiziert hatte), wurde mit einem zähneknirschenden "Öh, nö, hat sich bisher einfach nix ergeben" seinerseits beantwortet. Ferris verweigerte sich fast allen Fragen zu seiner Drogenkarriere. Und Videobotschaften der Zuschauer per WebCam erreichten das Studio/Café in dermaßen horrender Bild- und Tonqualität, dass man über den Inhalt der von ihnen gestellten Fragen oftmals nur mutmaßen konnte. Au weia!
Neben banaler Fragestellungen und ungelenker Moderation war es aber das Thema selbst, welches der Sendung den Todesstoss versetzte. Denn kaum einer der Gäste im Studio (mit Ausnahme der Berufskiffer von der Wiese) wagte es, einen gelegentlichen oder gar regelmäßigen Drogenkonsum einzugestehen. Denn könnte nicht gerade ein übelgelaunter Polizeibeamter vor dem Fernseher sitzen oder der übereifrige Staatsanwalt die Sendung im Livestream verfolgt haben? Einzig geläuterte Ex-Abhängige wie beispielsweise Armon Barth erzählten während der ersten 90 Minuten der Sendung von ihren Erfahrungen. Fast könne man meinen, die gesamte Hundertschaft der grün- und rothaarigen, x-fach gepierceten Pseudo-Punks würde selbst einem Schlückchen Bier mit größtmöglicher Kritik begegnen. So wartete man dann auch spätestens nach dem 154ten "Ich bin jetzt clean" und "Das Kiffen zieht dich doch voll runter, ey" auf eine mutige Aussage, die Probleme und Vorzüge des kontrollierten Rauschs konkret benennt. Und plötzlich, kurz vor Schluss der Sendung in den frühen Morgenstunden, erschien ein gar lustiges Grüppchen namens Drugscouts, die sich für Vor-Ort-Tests harter und softer Rauschmittel in Diskotheken stark machen. So endete die Show dann überraschenderweise mit deren Aussage, man könne sich ruhig gelegentlich so einiges an Chemie einschmeißen, solange die Reinheit des konsumierten Stoffes zuvor geprüft wurde.
Wie meinen? Und so was im Opa- und Omasender ZDF... ich bin schockiert *kopfschüttel*
Um mit ein paar versöhnlichen Worten zu schließen: auch wenn das Konzept von Roche+Scobel noch einiger Nachbesserung bedarf, ist doch das ZDF auf dem richtigen Weg damit, neben dem kleinen Fernsehspiel eine weitere Sendung Sendung in ihrem Nachtprogramm zu etablieren, die man sich auch als unter-Fünfzigjähriger ohne Schamesröte im Gesicht ansehen kann. Gerade von Gerd Scobel, dem für Kulturzeit und delta mit Grimme-Preis geadeltem Anchorman von 3sat, erwarte ich noch so einiges. Selbst spätere Kultformate wie die Harald Schmidt Show bei Sat1 und der Polittalk Hart aber fair legten bekannterweise einen holprigen Start aufs Parkett. So heißt es denn abwarten und Däumchen drücken für die neue Talkshow, der ein wenig Zeit und Reife sicherlich zu Größerem verhelfen wird. Und denkt immer dran, Charlotte und Gerd: die Aufzeichnung eurer Sendung läuft weit nach Mitternacht, also zu einer Zeit, zu der die gesamte Geschätsführung des ZDF schon lange die dritten Zähne zur Seite und sich selbst ins gemütliche Bettchen gelegt hat. Nur übermüdete Teens und Twens sehen noch zu. Nutzt eure Narrenfreiheit!
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