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Montag, 18. Februar 2008

Mit dem Zweiten sieht man älter (aus), oder: Bildungsauftrag à la ZDF

Eine kleine Ergänzung zum sehr treffenden Kommentar von Jens Jessen in der ZEIT vom 14. Februar hinsichtlich des immer boulevardesker (sprich: dem Privatfernsehen immer ähnlicher) werdenden Programm von ARD und ZDF und der zunehmenden Ghettoisierung anspruchsvoller Sendungen in öffentlich-rechtlichen Spartenkanälen wie 3sat und Arte. Inwiefern unser täglich TV-Brot tatsächlich immer weniger nahrhaft (sprich: dümmer) wird oder es nicht etwa schon immer war, darüber kann man streiten. Mal ehrlich, ist die einst biedere Unterhaltung à la Am laufenden Band oder Was bin ich? den lauten Trash-Formaten wie Schlag den Raab und Deutschland sucht den Superstar wirklich überlegen oder einfach nur eine andere Form des gleichen Übels, die wir heute retrospektiv als Unterhaltungsprodukte der guten alten Zeit nostalgisch verklären? Natürlich nicht, doch erfreut sich der Themenkomplex "Früher war alles besser" seit Jahrzehnten ungebrochener Popularität, auch schön zu erkennen an der glücklicherwese langsam abebbenden "Ostalgie"-Welle, aktuellen Debatten um fette Kinder (slim is the new fat!) und der derzeitige Besessenheit junger Hollywoodfilmer mit Stilmitteln des 80er-Jahre-Kinos.

Was Herr Jessen in seinem klugen ZEIT-Beitrag aber tatsächlich vergessen hat, ist, dass nicht nur Menschen mit einem IQ über Raumtemperaturniveau unbeschadet die großen öffentlich-rechtlichen Kanäle gucken möchten, sondern auch wir "jungen Hüpfer" unter 60. Vor allem das ZDF macht sich einer Programmplanung schuldig, die für ein ansatzweise gebildetes Publikum unterhalb des Rentenalters kaum zu konsumieren ist. Reihen wie Das kleine Fernsehspiel und das bereits wohlwollend von mir kritisierte Talkformat Roche+Scobel sind wochentags erst nach Mitternacht aufzufinden und/oder werden nicht konsequent fortgesetzt.


(AP Photo/Tiergarten Nürnberg, Ralf Schedlbauer)
Was uns bleibt, ist ein Start in den Tag mit dem biederen Fernsehfrühstück Volle Kanne, randvoll gepackt mit Verbrauchertipps für Hunde-, Blumenliebhaber und geriatrisch Erkrankte. Danach grüßt die ach-sooooo-niedliche "Flocke" aus dem Nürnberger Zoo und strahlen uns die Botoxbacken einer Daily Soap aus dem TV-Kasten an, bevor es dann mit der 173ten Kochshow nach VOX- und Jamie Oliver-Muster weitergeht. Ach ja, zur Mittagszeit gibt's außerdem ein weiteres Mal Volle Kanne, nennt sich aber nun Drehscheibe Deutschland und hat einen anderen Moderator. Nachmittags wiederholt sich das Spiel mit Tiersendungen und täglichen Schmonzetten, doch -welch Freude!- diesmal brandaktuell und nicht etwa in der Wiederholung wie zuvor. Es folgen anrührende Schicksale kleiner Nilpferdbabys und Dramen um eingerissene Fingernägel von C-Promis bei Charityveranstaltungen im hippen Boulevardmagazin Leute heute. Über die Zeit bis zum Beginn von heute, die mittlerweile mehr Werbeplattform für im Programm nachfolgende ZDF-Formate wie WiSo und 37Grad ist denn seriöse Nachrichtensendung, retten uns die gestandenen Recken der SoKo Leipzig, SoKo Rhein-Main, SoKo Kitzbühel, SoKo Wismar oder SoKo Kleinhinterspiekendorf. Je nach Stimmung und Wochentag gönnt man dem gebeutelten GEZ-Zahler dann abends entweder Carmen Nebel, eine unglaublich bewegende Pilcher- oder Lindström-Verfilmung, das Forsthaus-Falkenau, unseren Charlie oder ein anderes süüüüüüüßes Tier aus dem ZDF-Fundus, die im Urlaub von ihrem Kurschatten geneppte Omi in Aktenzeichen XY ...ungelöst oder aber hochseriöses Infotainment aus den Händen von Guido Knopp (Hitlers vegetarische Lieblingsrezepte) oder Theo Koll (Klassisches Frontal21-Thema: "Warum Sie als Mensch über 50 am besten gar nicht mehr Ihr Haus verlassen sollten... den die Welt da draußen ist B-Ö-S-E!"). Ins Bettlein bringt uns dann JBK, der, wenn er denn gerade nicht mit den Charmegranaten Sarah Wiener oder Johann Lafer kocht, bestimmt gerade mal wieder unglaublich fesselnde Stories aus Dieter Bohlen, Verona Poth oder Sky Dumont herausquetscht.

Liebe ZDF-Programmplaner, macht weiter so... ich bin sicher, Millionen volkstümelnder aber ansonsten soziophober Senioren danken euch für diese wöchentlich 168 Stunden leicht verdaulicher TV-Monotonie. Aber bitte, lieber Markus Schächter, klicken Sie doch bitte mal auf den Link am Fußende dieser Seite und schicken mir eine eMail, denn ich würde Ihnen gerne meine Bankverbindung mitteilen, wohin Sie die von mir in den letzten zehn Jahren gezahlten Rundfunkgebühren überweisen können. Vielen Dank.

Freitag, 15. Juni 2007

Bin ich bereits zu alt fürs hippe ZDF? Einige kritische Worte zu ROCHE+SCOBEL

Gestern nacht feierte im ZDF eine neue Talkshow Premiere: Roche+Scobel (oder war es Roche & Scobel, oder gar Roche und Scobel?). Dass nun das von Carmen Nebel, JBK, den gar Lustigen Musikanten und Unser Charlie geprägte Programm des Zweiten Deutschen Geriatrischen Fernsehens um ein neues Format wie eine auf jungen Menschen zwischen 14 und 30 (+/-5 Jahre) zugeschnittene Talkrunde ergänzt wird, ist ja prinzipiell ein begrüßenswerter Schritt. Immerhin zahlt auch dessen weniger als 60 Jahre alte Klientel (meist) brav die GEZ-Gebühren. Übersehen wir daher nun mal in ach-so-dankbarer Laune, dass man Roche+Scobel ins tiefste Nachtprogramm beförderte und stellen uns die Frage, inwieweit man das Debüt der Sendung als gelungen bezeichnen kann.


Zunächst das Positive: Die Kombi Roche/Scobel klingt zunächst auf dem Papier sehr gut. Das dynamische Duo aus der ehemaligen VIVA2-Moderatorin und Kulturzeit-Koryphäe Scobel spricht gleichermaßen Teens und hippe Berufsjugendliche wie auch intellektuell verbrämte Twens an. Umgeben von einem seltsam steif wirkenden Publikum diskutierte man das Thema "Wie viel Rausch darf sein?". Prominente und weniger prominente Kiffer und Ex-Kiffer wie Ferris MC, Mitglieder der Band Virgina Jetzt! und ein paar Jungs und Mädels von der Kifferwiese kamen ebenso zu Wort wie selbsternannte Aufklärer und Experten aus akademischen Kreisen. Klingt soweit gut, oder? Alle Voraussetzungen für eine unterhaltsame und informative Sendung waren gegeben. Leider wußte man diese nicht kaum zu nutzen.

Zunächst einmal fiel auf, dass das Morderatoren-Duo seltsam unentspannt wirkte (ähnlich wie das Publikum, das sich vielleicht bereits als mögliches Ziel einer Live-Drogenrazzia während der laufenden Sendung wähnte). Die einstudierte Anmoderation wirkte holprig, ein Teleprompter wurde von Roche und Scobel offensichtlich vermisst. Verbale Schlagabtäusche der beiden waren offensichtlich im Vorfeld der Sendung geplant geplant worden, konnten aber selten umgesetzt werden. Viel häufiger konnte man aus der Mimik der Gastgeber die Frage "Bin ich jetzt eigentlich dran... oder wie?" herauslesen. Anflüge von Spontaneität waren eher rar, und falls sie sich doch mal in die Sendung schlichen, so sorgten sie eher für peinliche Momente. Charlotte Roches Frage an einen jungen Mann im Studio, ob denn sexuelle Enthaltsamkeit zu seinem Lebenskonzept gehöre (nachdem sie ihn zuvor als Shaolin-Mönch in spe identifiziert hatte), wurde mit einem zähneknirschenden "Öh, nö, hat sich bisher einfach nix ergeben" seinerseits beantwortet. Ferris verweigerte sich fast allen Fragen zu seiner Drogenkarriere. Und Videobotschaften der Zuschauer per WebCam erreichten das Studio/Café in dermaßen horrender Bild- und Tonqualität, dass man über den Inhalt der von ihnen gestellten Fragen oftmals nur mutmaßen konnte. Au weia!




Neben banaler Fragestellungen und ungelenker Moderation war es aber das Thema selbst, welches der Sendung den Todesstoss versetzte. Denn kaum einer der Gäste im Studio (mit Ausnahme der Berufskiffer von der Wiese) wagte es, einen gelegentlichen oder gar regelmäßigen Drogenkonsum einzugestehen. Denn könnte nicht gerade ein übelgelaunter Polizeibeamter vor dem Fernseher sitzen oder der übereifrige Staatsanwalt die Sendung im Livestream verfolgt haben? Einzig geläuterte Ex-Abhängige wie beispielsweise Armon Barth erzählten während der ersten 90 Minuten der Sendung von ihren Erfahrungen. Fast könne man meinen, die gesamte Hundertschaft der grün- und rothaarigen, x-fach gepierceten Pseudo-Punks würde selbst einem Schlückchen Bier mit größtmöglicher Kritik begegnen. So wartete man dann auch spätestens nach dem 154ten "Ich bin jetzt clean" und "Das Kiffen zieht dich doch voll runter, ey" auf eine mutige Aussage, die Probleme und Vorzüge des kontrollierten Rauschs konkret benennt. Und plötzlich, kurz vor Schluss der Sendung in den frühen Morgenstunden, erschien ein gar lustiges Grüppchen namens Drugscouts, die sich für Vor-Ort-Tests harter und softer Rauschmittel in Diskotheken stark machen. So endete die Show dann überraschenderweise mit deren Aussage, man könne sich ruhig gelegentlich so einiges an Chemie einschmeißen, solange die Reinheit des konsumierten Stoffes zuvor geprüft wurde.
Wie meinen? Und so was im Opa- und Omasender ZDF... ich bin schockiert *kopfschüttel*
Um mit ein paar versöhnlichen Worten zu schließen: auch wenn das Konzept von Roche+Scobel noch einiger Nachbesserung bedarf, ist doch das ZDF auf dem richtigen Weg damit, neben dem kleinen Fernsehspiel eine weitere Sendung Sendung in ihrem Nachtprogramm zu etablieren, die man sich auch als unter-Fünfzigjähriger ohne Schamesröte im Gesicht ansehen kann. Gerade von Gerd Scobel, dem für Kulturzeit und delta mit Grimme-Preis geadeltem Anchorman von 3sat, erwarte ich noch so einiges. Selbst spätere Kultformate wie die Harald Schmidt Show bei Sat1 und der Polittalk Hart aber fair legten bekannterweise einen holprigen Start aufs Parkett. So heißt es denn abwarten und Däumchen drücken für die neue Talkshow, der ein wenig Zeit und Reife sicherlich zu Größerem verhelfen wird. Und denkt immer dran, Charlotte und Gerd: die Aufzeichnung eurer Sendung läuft weit nach Mitternacht, also zu einer Zeit, zu der die gesamte Geschätsführung des ZDF schon lange die dritten Zähne zur Seite und sich selbst ins gemütliche Bettchen gelegt hat. Nur übermüdete Teens und Twens sehen noch zu. Nutzt eure Narrenfreiheit!